Antje Vowinckel

Call me yesterday (2006)
for 5 voices with instruments, tape and 2-channel-video projection
47 min.

The Humming Backstage
eine Dialekt-Karaoke (2016, UA)
für 3 Stimmen und Zuspiel

geb. 1964 in Hagen/ Westf., aufgewachsen in Bielefeld. Studium der Literatur und Musik. (Querflöte/Klavier). Anschließend Promotion (“Collagen im Hörspiel. Die Entwicklung einer radiophonen Kunst”) und Redaktionsvolontariat Rundfunk/Fernsehen.

Ein Jahr als Dramturgin beim SWR. Ab 1994 eigene Hörspiele, Radio-Feature, Klangkompositionen und literarische Regie für SWR, BR, WDR Studio Akustische Kunst, DeutschlandRadio, NDR, HR. Daneben Eigenproduktionen, darunter “Call me Yesterday”, das in 14 europäischen Ländern gesendet wurde.
Seit einigen Jahren musikalische Solo-Performances Instrumental- und Videokompositionen. Schwerpunkt ihrer musikalischen Arbeit ist die Komposition mit O-Tönen und Sprachimprovisationen.

Auszeichnungen u.a. mit dem Karl-Sczuka-Förderpreis für “Call me yesterday”, dem Klangkunstpreis des spanischen Senders RNE für “Call me yesterday” und 2001 den Hörspielpreis der Akademie der Künste.

Call me yesterday
Text-Klangkomposition aus internationalen Sprachkursen von Antje Vowinckel

Sie sollten uns alle miteinander verbinden, aber das Gegenteil geschah: alte Sprachkurse auf Vinyl und Cassette bestechen durch ihr didaktisches Pathos, aber kaum durch Alltagstauglichkeit. Perfekte Sprecher warten in regelmäßigen Pausen darauf, dass wir ihnen nachsprechen, aber nach ein paar braven Versuchen, gibt man auf, um schweigend und hochkonzentriert dem Knistern und Rauschen in den Nachsprechlücken zu lauschen. Währenddessen weitet sich die leere Pause zum leeren Raum. Sekunden werden zu Lichtjahren. Die Rillen des Vinyls gleichen Umlaufbahnen weit voneinander entfernter Planeten. Nette Menschen rufen fröhlich „Hallo!“ ohne je Antwort zu bekommen. Doch während die Worte ins Leere laufen, sprechen sie die Sprache der Musik. Eine Musik, die niemand gewollt hatte, die als Nebenprodukt der Anstrengung enstand, und die gerade deswegen fasziniert: eigentümliche Satzmelodien, facettenreiches Rauschen, durchkopierte Sätze, die auf dem Band ein Eigenleben entwickeln, Verzerrungen und Filterungen und immer wieder „This is..“ (Pressetext zu „Call me yesterday“)

Die Live-Aufführung von „Call me yesterday“, die Antje Vowinckel ausgehend vom gleichnamigen Hörstück auf die Bühne übertragen hat, wird mit fünf Live-Stimmen, Instrumenten, Zuspielband und einer 2-Kanal- Videoprojektion realisiert. Die von Steffi Weismann entworfene Videoinstallation greift das Bild der rotierenden Objekte (Vinylplattenteller und Cassettenbandschleife) auf, abstrahiert es und deutet es um. Zentrales Element sind zwei vertikal rotierende Scheiben, die auch als Projektionsfläche für die live eingespielten Videos fungieren. Sie erinnern an Plattenteller oder alte Tonbandgeräte, können aber auch das repetitive Element der Übungen visualisieren und andere Elemente in ihren Rhythmus zwingen (z.B: das Geräusch der Kreide auf der sich drehenden Tafel).
Die Sprecher stehen durch Stellwände isoliert voneinander hinter Pulten und werden durch Licht für verschiedene Konstellationen sichtbar bzw. unsichtbar gemacht. Die Trennung der Sprecher steht für die isolierte Situation in der sich die Lernenden mit den Sprachkursen befinden und die der Konzentration von Hören und Sprechen dienen soll. Gelegentlich begeben sich die Sprecher jedoch zu einer halbkreisförmigen Sitzgruppe im Vordergrund oder führen Übungen an den Drehscheiben durch.
Die übertriebenen Perfektionsansprüche der frühen Sprachlaborkurse bringen für heutige Ohren nahezu absurde Qualitäten zum Vorschein. Dabei öffnet sich ein Raum für die Musik. Gleichzeitig werden aus diesem anderen Betrachtungswinkel aber auch Fragen entstehen, die sich auf die heutige Problematik im Umgang mit Kommunikationstechnik beziehen.

ZKM, Festival Stimme+, 19. Mai 2006 (UA)
TESLA im Podewils'schen Palais Berlin, maulwerker performing music, 6.Oktober 2006
Komposition und Regie: Antje Vowinckel
Bühne und Video: Steffi Weismann
Die Maulwerker: Christian Kesten, Ariane Jessulat, Henrik Kairies, Katarina Rasinski und Fernanda Farah (Gast), in der Berliner Aufführung mit Margareth Kammerer (Gast)